Religion und Sexualität: Sowieso ein schwieriges Feld für stark religionsgebundene Wertkonservative... Und erst recht der gern von ihnen "Frühsexualisierung" genannte schulische Aufklärungsunterricht. Wie weit darf der gehen?
Wer nur zu "Frühsexualisierung" will, bitte hier klicken, die übrigen lesen einfach weiter:
Was sagt uns dieses Bild
Meine Auslegung ist: Sexualität und Religion (religiöse Gefühle) gehören zusammen, weil beide in uns Menschen sind. Deshalb gibt es auch in allen drei gängigen Religionen Christentum, Judentum und Islam liberale Strömungen, die unter entsprechender Schriftauslegung für lustvoll und liebevoll gelebte Sexualität sind.
Doch da gibt es eben auch die Fundamentalisten. Das sind die, die unter entsprechender Schriftauslegung dagegen sind, so wie überhaupt gegen jedes freundlich-bunte, lustvoll gelebte Leben.
Leider sind die Fundamentalisten heute wieder auf dem Vormarsch. Das liegt an unseren wertemäßig äußerst unstabil gewordenen Zeiten. Sei es von Seiten des Islam (Islamismus), sei es von "rechts"-konservativer Seite (christlich-abendländischer Fundamentalismus). Die alten Werte sind weg, doch wo sind die neuen? Das ist das Problem. Klar ist eigentlich nur: Die kalten, materialistischen "Werte" des Kapitalismus sind es nicht, auch wenn das uns seitens unserer Wirtschaftsideologen verzweifelt beizubringen versucht wird. Der Mensch ist und bleibt im Kern ein religiöses Wesen, siehe dazu auch meinen Beitrag Religion!
Gefahren
Wer nun seine Werte um sich herum immerfort nur zusammenbrechen sieht, der sucht sich natürlich Gruppen, die gleich "ticken" und ihm Geborgenheit bieten gegen die Welt "da draußen". Tja, und da warten dann besonders gern die Fundamentalisten. Das sind die, die besonders genau "wissen", was gottgewollt ist und was nicht. Was gelebt werden darf und was nicht. Und "Homosexuelle" - oder in deren Augen noch schlimmer: "Schwule" - gehören ganz bestimmt nicht zum "Was-gelebt-werden-darf ".
Dass das so alles gar nicht stimmt, habe ich in meinem Beitrag "Homophobie - Was tun" dargelegt. Das stört die Fundamentalisten aber nicht und die meisten anderen Menschen auch nicht, denn das hat sich bei ihnen ja noch gar nicht herumgesprochen. Aus gutem Grund:
"Kontrolliere ihre Sexualität und du hast die Macht", sagt Michel Foucault. Und ähnlich auch TheEuropean in seinem Beitrag "Machtfaktor Sex":
Sex sei Spaß, finden die Werbung und das Fernsehen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Gesellschaft und Staat kontrollieren die Sexualität. Dabei geht es vor allem um eins: Macht.
Wir müssen also aufpassen
Aufpassen, was wird uns da eigentlich an Werten untergejubelt, wenn es die "kapitalistischen" ja nun mal nicht sind! Da traf es sich gut, dass in Reaktion auf meine Erstfassung "Homophobie - Was tun" eine sehr engagierte Teilnehmerin einer Demonstration gegen "Frühsexualisierung" auf mich zukam.
Die Demonstrationsteilnehmerin schrieb mir (das Zitieren hat sie mir ausdrücklich erlaubt) :
Ich war vor ein paar Wochen auf einer Demo gegen Frühsexualisierung in Dresden. Die Eltern dort wollen nicht, dass im Schulunterricht z.B. "wie leite ich ein Puff" oder "wie benutze ich als Sadist eine Peitsche" gelehrt wird. Oder dass sich die Schüler in Rollenspielen küssen müssen etc. - Diesen 200 Eltern standen über 1000 Gegendemonstranten gegenüber, ein Gemisch aus Leuten der Antifa, Homosexuellenverbänden und normalen Bürgern. Ich frage mich, wieso! Diese Gegendemonstranten konstruieren eine Homophobie, die dort überhaupt nicht besteht.
Gerade das Letztere fand ich sehr schön, weil ich ja öfters mal Facebook-Freundschaftsanfragen auch aus offensichtlich eher "rechts-konservativem" Umfeld habe. Da hat sich das mir bisher genau so bestätigt. Man muss eben gegenseitig nur sorgfältig miteinander umgehen. Dann geht plötzlich vieles.
Fragen
Es blieben jedoch die Fragen. Ja wie ist es denn nun mit
Schulunterricht, wo z.B. "wie leite ich ein Puff" oder "wie benutze ich als Sadist eine Peitsche" gelehrt wird. Oder dass sich die Schüler in Rollenspielen küssen müssen etc.
Das fand ich eine interessante Ausgangsbasis, um über Sexualität im Allgemeinen und Sexualkundeunterricht im Besonderen nochmal genau nachzudenken. Für mich war nämlich nur klar, dass es Sexualaufklärung an den Schulen auf jeden Fall geben sollte! Zu sehr hatte ich als Junge darunter gelitten, dass ich selbst eine "richtige" Aufklärung nie bekommen hatte. Nur eine falsche und die kam von meinen sehr rechtskonservativen Eltern. Eine korrigierende Schule gab es nicht.
Ich habe ihr dann zurück geschrieben und wir konnten uns erfreulich schnell wie folgt einigen:
Aufklärungsunterricht allgemein
Kein Zurück in alte Zeiten, also "Ja" zu Sexualkundeunterricht an den Schulen!
Mindestanforderung Aufklärungsunterricht
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Es muss vermittelt werden, dass Sex nicht nur der Fortpflanzung dient, sondern auch andere Zwecke hat. Näheres dazu im Buch des Hirnforschers Gerald Hüther „Die Evolution der Liebe“ (Göttingen 2007). Dort insbesondere das Kapitel „Was ein Paar im Innersten zusammenhält“, Seite 70/71 - Göttingen 2007)
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Es muss vermittelt werden, dass alles in gegenseitigem Einvernehmen zu geschehen hat, wenn Menschen sexuell etwas „miteinander anfangen“. Der Rest ist egal. Es muss dem Gegenüber seelisch und körperlich guttun "dabei". Es muss ihm Kraft, Sicherheit und Geborgenheit geben für sein sonstiges tägliches Leben. Dann ist es gut!
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Auf dieser Basis (wirklich nur auf der!) muss schließlich ganz und gar klargemacht werden, dass kein Mensch schlechter oder minderwertiger ist als der andere, nur weil er so rum oder andersrum oder nochmals anders veranlagt ist! Oder weil er die oder die Vorlieben hat. Solange es jemanden gibt, der ihm im „Einvernehmen!“ diese Wünsche erfüllt und er dabei seine Geborgenheit und sein Sich-gut-aufgehoben-Fühlen erhält, dann ist es gut.
Das ist dann wirklich alles nur noch "Schlafzimmer" und geht niemand etwas an. Und wenn jemand doch daraus etwas erfährt und das auszuschlachten versucht gegen den anderen, dann gehört er geächtet und angeprangert, aber nicht der andere. Letzteres ist schwer hinzukriegen, ich weiß. Aber wir sind mit der Menschheitsentwicklung ja noch nicht zu Ende (siehe die Beiträge unter "Stufentheorie" ff.).
- Klar ist, dass es für alles eine Altersgrenze geben muss. Wo ich persönlich mir aber noch nicht klar bin, welche. Selbst die alten Griechen haben da schon drüber diskutiert und hatten unterschiedliche Ansichten. Siehe Platon „Das Gastmahl“ - Auf Seite 13ff der Reclam-Ausgabe geht es damit bereits los (Stuttgart 2008): Damit und überhaupt mit der Liebe! Und auch mit der Männerliebe.
"Frühsexualisierung"
Frühsexualisierung in Form von "Wie leite ich ein Puff" oder "Wie benutze ich als Sadist eine Peitsche" oder "Sich in Rollenspielen küssen müssen" geht uns beiden zu weit. Ein bisschen Geheimnis und Ausprobieren muss schließlich bleiben. Kommen aber in diese Richtung Fragen oder verlegenes Grinsen und Getuschele nach einer besonders locker und "witzig" vorgebrachten Frage in diese Richtung, dann muss darauf eingegangen werden. Offen geblieben ist allerdings für mich bis zum Schluss, ob das letzendlich wirklich so in den Bildungsplänen steht! Ich wollte das durch Übersendung noch bestätigt haben, dazu ist es aber leider nicht mehr gekommen.
"Homophobie"