Stolperstein "Realität"

Wenn man heute politisch etwas anderes als das Derzeitige will, heißt es "Wer soll das bezahlen. Man möge sich doch bitte mal an der Realität orientieren!" Aufgrund ganz praktischer politischer und beruflicher Erfahrungen glaube ich diese Sprüche nicht mehr. Wir haben in Deutschland ein Prioritätensetzungsproblem, aber ganz bestimmt kein Bezahlbarkeitsproblem.

Es fällt auf, dass diese "Argumente" immer nur in sozialen Fragen vorgebracht werden. Für die Hamburger Elbphilharmonie, den Berliner Großflughafen BER, für die Rettung "systemrelevanter" Banken, für "Afghanistan" ist dagegen immer Geld da. "Explodierende Kosten" werden dann zwar tränenreich beklagt - gebaut, Kriege geführt und bezahlt wird trotzdem.

Das hat sogar seine Berechtigung. Nicht unbedingt bei der Elbphilharmonie, aber im Großen und Ganzen. Staatsgebilde sind nämlich gerade nicht mit dem Gebaren einer "schwäbischen Hausfrau" zu vergleichen, so wie uns das unsere "Mutti" (Angela Merkel) und noch viele andere Politiker gerne immer dann weismachen, wenn es um Soziales, um ordentliche Schulen, Kindergärten und Straßen, gute und schnelle Bahnverbindungen geht.

Volkswirtschaft "geht anders" als das Wirtschaften einer "schwäbischen" Hausfrau! Und eigentlich weiß "Mutti" das auch. Der Punkt ist: Wir haben in Deutschland ein Prioritätensetzungsproblem, aber ganz bestimmt nicht ein Bezahlbarkeitsproblem. Würde z.B. von heute auf morgen ein "Bedingungsloses Grundeinkommen" politisch gewünscht und gewollt werden (weil sich nämlich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass es einfach nicht mehr genügend herkömmliche Arbeit gibt - siehe meinen Beitrag "Arbeitslosigkeit"), dann wäre auch dieses "bezahlbar". Hierzu siehe u.a. meinen Beitrag "Große belasten - Kleine entlasten"

Achtung: Hierbei handelt es sich um grundsätzliche Überlegungen! Natürlich muss Geld immer irgendwie auch von irgendwo her "geschöpft", muss "eingenommen" oder "verdient" werden, bevor es ausgegeben werden kann. Aber das ist hier ja nicht die Frage! Wer damit kommt, lenkt von der hier aufgezeigten "Realität" ab, dass etwas politisch Gewolltes immer irgendwie bezahlbar ist, alles andere hingegen nicht.

Hat sich das erst mal herumgesprochen (und ich hoffe, dass das z.B. über Beiträge wie diesen nach und nach immer weiter geschieht), wird sich für viele viel leichter pro "Soziales" und "Grundeinkommen" argumentieren lassen, statt sich unversehens mit schlechtem Gewissen in der "Wer soll das Bezahlen"-Ecke wiederzufinden.

Ergebnis/Schlussfolgerung

Wir müssen natürlich die Realitäten im Blick haben, wenn wir etwas ändern wollen. Doch Vorsicht vor denen, die das immer so ganz besonders betonen! Hier besteht meist besonders wenig Interesse an neuem Denken und echten Lösungen. Lieber wird torpediert. Ja, auch das ist eine Realität, dass es Menschen gibt, die etwas einfach nicht wollen (siehe dazu die dreibändige Reihe "Miteinander reden" von Friedmann Schulz von Thun (Hamburg 2006). Aber auch das speziell auf "Ideologen" zielende Buch "Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren" ist in dieser Hinsicht interessant (Hubert Schleichert, München 1997).

Doch gibt es auch die anderen, die empfinden zwar auch Skepsis wie die "einfach nicht Wollenden", stehen dem Ganzen insgesamt aber aufgeschlossen gegenüber. Weil sie nämlich auch finden, dass sich etwas ändern muss. Das ist ein Unterschied! Diese Menschen gilt es dann nicht nur zu erkennen, sondern auch zu gewinnen und mitzunehmen. Gelingt das, ist der Wechsel von der derzeitigen eben noch so festgefügt erscheinenden "Realität" zu einer neuen Realität plötzlich nicht mehr weit. Wäre es sonst zur Überwindung der ehemaligen DDR und unserem heutigen Gesamtdeutschland gekommen? Dieses nur als Beispiel, dass '"Realitäten" nicht so zementiert sind, wie sie einem manchmal gerne eingeredet werden.

Nichts ist am Ende von Bestand. Weshalb ich ja auch die Reihenfolge so schädlich finde, wie sie heute regelrecht "modern" geworden ist, nämlich sich zuallererst an einer gerade bestehenden "Realität" zu orientieren und nur daraus mögliche Ziele für sich zu finden. Diese Reihenfolge hindert uns an jungem, frischem Denken und an der Entwicklung von Phantasie. Sie hindert uns am frechen Infragestellen des Bisherigen. Das aber ist notwendig, wenn man wirklich weiterkommen will.

Womit ich beim nächsten Stolperstein wäre. Das sind unsere "Experten". Also all jene, die uns in den Massenmedien besonders gerne als besonders kompetent "verkauft" werden, obwohl sie in Wirklichkeit oft nichts anderes als fundamentalistische Ideologen sind, wie gleich noch gezeigt werden wird.
Stolperstein "Experten"

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